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Neue Arbeitswelt
Zwischen Homeoffice-Blues und neuen Freiheiten
So langsam zeigt sich, was sich durch die Krise in der Arbeitswelt dauerhaft verändern wird, was dafür noch zu tun ist und wo die alte Realität ein Stück weit zurückkehrt.
Mit dem Ende der
Aus Sicht der Arbeitspsychologin Silke Weisweiler von der Ludwig-Maximilians-Universität München stellen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Frage: “Wann habe ich früher zum Telefon gegriffen und wann habe ich mich persönlich getroffen?” Videokonferenzen haben diese Trennung aus ihrer Sicht verwischt und es besteht der Wunsch, beides wieder voneinander abzugrenzen. Daneben hat sie den Eindruck, “dass die Leute müde davon sind, ständig beobachtet zu werden”. In einem Workshop habe ein Teilnehmer kürzlich beklagt: “Wenn ich in einem Meeting bin, dann hat mich ja auch früher nicht jeder ständig beobachtet.” Genau dieses Gefühl entstehe jedoch in einer Videokonferenz.
Flexibilität beim Arbeitsort
Trotzdem sieht die Expertin für Personalmanagement auch Vorteile: “Ein großes Pro beim Homeoffice ist die Flexibilität für die Arbeitnehmer bei der Örtlichkeit. Der Arbeitsweg fällt weg, vor allem für Familien mit Kindern ist das praktisch.” Doch vor allem für neue Mitarbeiter könne es schwer werden, sich in die Gruppendynamik am Arbeitsplatz einzuordnen. Genauso bestehe das Risiko, dass Arbeitnehmer, die schon länger dabei sind, in eine schleichende Isolation geraten. Insgesamt sieht Weisweiler die soziale Eingebundenheit im Unternehmen in Gefahr. Die Chefetage sollte das im Blick behalten: “Führungskräfte müssen entscheiden, wann Präsenz sinnvoll ist und wann nicht.”
Dass dennoch eine Rückkehr zu einer
Führen auf Vertrauensbasis
Die Notwendigkeit dazu sieht auch Weisweiler: “Aus meiner Sicht sind Führungskräfte nicht gut auf das Führen aus der Ferne vorbereitet”, auch sie plädiert für Weiterbildungen und auch für Selbstkritik. Besonders das Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei wichtig: “Für die Führungskultur gilt, wenn kein Vertrauen in Präsenz vorherrscht, dann ist es auch nicht im Homeoffice da. Ohne Vertrauen funktioniert das nicht, das hat auch Auswirkungen auf die Leistung.” Ein Mangel könne weitreichende Folgen haben: Es sei erwiesen, dass mehr Fehler passieren, wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, kontrolliert zu werden.
Auch der Versicherungskonzern Allianz propagiert für die Zeit nach der Pandemie ein “New Work Model”, gibt sich aber bewusst selbstkritisch. Fernarbeit werde auf vorproduzierten Fotos “oft idealisiert”, heißt es auf einer Infoseite. “Die Realität sieht jedoch anders aus.” Unter anderem mit dem Thema Privatsphäre müsse man sich dabei sorgfältig auseinandersetzen. Dass dies ein wichtiges Thema ist, bestätigt Silke Weisweiler auch aus dem Kontakt zu ihren Studierenden. Diese stellen sich ihr zufolge in Vorlesungen die ganz praktische Frage: “Wieso soll ich die Kamera in meinem privaten Umfeld anmachen?” Dort will man der Psychologin zufolge nicht ständig gesehen werden.
Doch es gab besonders zu Beginn der Pandemie nicht nur die Erwartung, dass sich die interne Organisation von Unternehmen dauerhaft verändern wird. Auch Dienstleistungen wie Wartung und Beratung sollten in Zukunft vermehrt digital stattfinden. Eindrückliches Zeugnis dessen waren die Kurssprünge an der Börse, die Anbieter von Videotelefonie- und anderen Fernwartungsdiensten in immer neue Höhen trieben. Doch die Hoffnungen auf dauerhafte Popularität könnten nicht nur durch die Rückkehr ins Büro gedämpft werden.
Den Umfrage-Ergebnissen von YouGov zufolge wollen nur acht Prozent der Deutschen nach dem Ende der Pandemie weiterhin regelmäßig Beratungsangebote per Videochat nutzen. Auch Fort- und Weiterbildungen will die überwältigende Mehrheit lieber wieder in der analogen Welt besuchen. (dpa/rs)