Der CIO muss einen Platz in der Chefetage bekommen, wenn die digitale Transformation zügig und professionell umgesetzt werden soll, lautete eine Forderung auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Michael Müller-Wünsch, Bereichsvorstand Technology bei Otto, fordert schon seit Jahren mehr Digitalkompetenz in den Vorständen. “Technologisches Know-how ist der Schlüssel zum Erfolg, wenn es um moderne Geschäftsmodelle geht”, lautet seine Botschaft. “Vor dem Hintergrund, dass sich die Informationstechnik zum Dreh- und Angelpunkt unserer Geschäftsmodelle entwickelt, ist ein tiefgehender technischer Sachverstand in der Führungsebene ein Muss.” Müller-Wünsch zitierte eine Studie aus dem Bankensektor, wonach lediglich sieben Prozent der deutschen Spitzenkräfte in den Banken berufliche Erfahrung im Technologiesektor besitzen.
Ebenso wie sein Gesprächspartner André Häusling, Geschäftsführer der Unternehmensberatung HR Pioneers, verwies der CIO des Jahres 2022 auf weitere ernüchternde Studienergebnisse, die die Erkenntnisse aus dem Bankensektor bestätigen. Demnach mangelt es insbesondere in den Führungsetagen deutscher Konzerne an digitalem Know-how. Das Problem betrifft auch die Aufsichtsräte.
Bonus-Denken bremst Innovationen
Die gute Nachricht sei, so Häusling, dass in den Teams unterhalb der Chefetage, die Zusammenarbeit gut funktioniere. Man habe erkannt, dass Business und IT sehr wohl gut miteinander können und das Silodenken Innovationen eher bremst. Bei den Topmanagern hat Häusling gelegentlich den Verdacht, dass sie bei neuen, unter Umständen auch noch kostspieligen Projekten bremsen. Denn dann gerät der Bonus in Gefahr. Und natürlich dürfe die kritisch Frage gestellt werden: Wer besetzt den Aufsichtsrat? Wer besetzt den Vorstand? Und was sind deren Interessen?
Müller-Wünsch machte schließlich eine klare Ansage: “Ein weiter so ist ein schlechtes Motto.” Es gehe darum, Bewusstsein für die Bedeutung von Digital-Know-how zu schaffen und aufzuzeigen, dass Informationstechnik eine Kernkompetenz der obersten Ebene sein muss. “Damit IT-Belange direkt und persönlich vorgetragen und mitgestaltet und Budgetfragen von Anfang an mitgedacht werden können.” Häusling ergänzte: “Wir brauchen die Mutigen, die Pioniere”, die auch etwas ausprobieren. “Wir können nicht immer warten, bis der Schmerz kommt.”
Alles eine Frage der Haltung
Da konnte die Personalerin nur zustimmen. Xenia Meuser ist Chief Human Resources Officer (CHRO) beim Fernsehsender RTL Deutschland. Sie weiß aus ihrer täglichen Praxis, wie wichtig es ist, mutige Leute im Unternehmen zu haben, die Technologie vorantreiben. So habe es durch die Gründung von RTL+ einen großen Innovationsschub gegeben, auch auf der IT-Seite. “Es ist alles eine Frage des Mindset”, ist sie überzeugt.
Mitarbeiter müssten bereit sein, sich zu öffnen und mitzumachen. Dafür brauche es aber eine Unternehmenskultur, die dies auch ermögliche. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass Tekkies mittlerweile mehr vom Business verstehen, was auch umgekehrt gelte. Die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien gestiegen: Heute müsse jede und jeder ein Grundwissen und – verständnis in Sachen IT und Digitalisierung mitbringen.