In der neuen “AI Factory” will die Deutsche Bahn ihre Kernprozesse verbessern und Probleme lösen. DB Systel CEO Nicole Göbel gibt auf den Hamburger IT-Strategietagen einen Einblick.
Das oberste Ziel der Deutschen Bahn lautet: pünktlicher werden. Die Infrastruktur, wie das Schienennetz, hat aber meist lange Lebenszyklen und der Ausbau geht langsam voran. Also setzt der Konzern unter anderem auf IT, um Abhilfe zu schaffen.
Mit der “AI Factory” launchte die Bahn im Januar 2023 eine konzernübergreifende Ideenschmiede, die gebündelt Lösungen auf Basis von künstlicher Intelligenz entwickelt. “Es geht dabei nicht um schicke Technologie, die am Ende keine Anwendung findet. Wir wollen für wirklich nachhaltigen Nutzen sorgen,” sagt Nicole Göbel, CEO der Bahn-IT-Tochter DB Systel, in ihrer Keynote auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Immer aus dem Business heraus
Damit die Lösungen stets auf die Kernprozesse der Bahn einzahlen, funktioniert die AI Factory nach den DevOps-Prinzip. Etwa 100 Personen arbeiten in cross-funktionalen Teams. Die Ownership der Projekte liegt bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Geschäftsbereich, die in Eigeninitiative mit einem konkreten Problem an die Factory herantreten. Sie begleiten anschließend den gesamten Entwicklungsprozess.
Damit die Teams konstruktiv arbeiten, wurde eine gemeinsame Methodik definiert, berichtet Göbel. Jede entwickelte KI-Logik darf nicht separat für sich existieren, sondern muss auf die Kernprozesse für Pünktlichkeit einzahlen. Es geht nicht darum, Lösungen für Einzelfälle zu finden, sie müssen systemisch wirksam sein für die Bahn als Ganzes und ihre Kunden.
Zudem gibt es Leitlinien für die Zusammenarbeit, Rollenverteilung, Kommunikation und die technologische Basis der Projekte. Diese Vorgaben sind nicht in Stein gemeißelt, so Göbel, sie werden regelmäßig diskutiert und aktualisiert. Aber Menschen, Technik und Organisation müssten gemeinschaftlich übergreifend gesteuert werden, damit alle Initiativen Mehrwert für das übergeordnete Ziel liefern.
Der DevOps-Zyklus
Die AI Factory arbeitet nach einem klassischen DevOps-Zyklus. Das Problem aus dem Business wird dahingehend untersucht, ob KI helfen kann, es zu lösen. Ist das der Fall, geht das Team in die Entwicklung, probiert Ansätze aus und entwickelt sie zu einem Minimum Viable Product weiter. Bewährt sich das MVP in der Anwendung, wird es in den produktiven Betrieb ausgerollt.
Da die Fachexperten rar gesät sind, skaliert der Personen-Pool der Projekte mit der Reife. Die Machbarkeit bewertet ein kleines Team. Für den Prototyp kommen weitere Kollegen aus dem Engineering-Bereich hinzu. Über die MVP- und Produkt-Stufe wächst das Team schrittweise noch weiter an. Im laufenden Betrieb kümmert sich ein Subset dieses Teams darum, die Lösung aktuell zu halten und weiterzuentwickeln.
Erste Use Cases
Bei der Stuttgarter S-Bahn ist bereits eine erste Lösung im Einsatz, berichtet Göbel. Bei Störungen informiert die KI-Anwendung die Koordinatoren über die Situation im Schienennetz, um bessere Entscheidungen zu treffen und den Verkehr bestmöglich umzuleiten. Das bringt der Managerin zufolge einen spürbaren Mehrwert, da die Verspätungsminuten sinken.
Auch bei der Wartungsplanung hilft IT. Muss ein Wagen instandgehalten werden, koordiniert die Bahn über ein KI-Tool nötiges Material und Personal. So konnten laut Göbel die Wartezeiten bis zur Instandhaltung von mehreren Stunden auf Minuten reduziert werden.
Es geht nur zusammen
Damit das alles funktioniert, müssen alle an einen Tisch. “Wir brauchen breite Expertise, aber nicht breit verteilt,” so Göbel. Wenn Experten nichts voneinander wüssten, gehe die Wirksamkeit verloren.
Also sitzen die Personen in der AI-Factory zwar nicht an einem Ort oder im selben Organisationsschema, sind aber über eine Netzwerkmodell miteinander verknüpft. Göbel: “So haben wir einen Kommunikationsbereich, einen Umsetzungsbereich und die Business Owner sind immer integriert dabei.”
Zudem spielt die Kultur eine zentrale Rolle. Es gilt, alle Beteiligten zusammenzubringen mit einem gemeinsamen Arbeitsmodell und technologischen Verständnis. “Man darf nicht wegen Angst, Befindlichkeiten oder Sorge vor Technik diese Chancen vorbeiziehen lassen,” resümiert Göbel.